Lehrerin Bettina Winterling wird zum 31.01.2025 in den Ruhestand versetzt

 Wenn Bettina Winterling zum Ende des ersten Halbjahres 2024/25 die Kronberger Altkönigschule verlässt, geht nicht nur eine Kollegin mit einer geradezu umtriebigen Vita, sondern auch die letzte im Fach Französisch ausgebildete Haupt- und Realschullehrerin.

Nach ihrem Referendariat in den Jahren 2004 bis 2006 war für die frischgebackene Lehrerin klar, dass sie an eine Gesamtschule gehen wolle, weil sie das Konzept dieser Schulform schätzte. Ihre Wahl fiel auf die AKS und so stellte sie sich beim damaligen Schulleiter Gerhard Amend persönlich vor. Das Initiativgespräch lief so gut, dass sie sogleich beim Staatlichen Schulamt, damals noch in Friedberg, angefordert und der AKS zugeordnet wurde. Doch Winterling scheint eine Spätberufene zu sein, stieg sie doch erst mit Mitte 40 in den Schuldienst ein.

Weit gefehlt – dass sie im Bildungswesen arbeiten wollte, das zog sich nicht nur wie ein roter Faden durch ihr Leben, sondern war ihr quasi „in die Wiege gelegt“. Das jüngste von vier Kindern wuchs in einer Bildungsbürgerfamilie auf, das Erlernen anderer Sprachen war also von großem Stellenwert. So achteten ihre Eltern darauf, Au-Pairs für die Kinder zu finden, die ihnen zugleich auch Englisch beibrachten. „Ich bin quasi zweisprachig aufgewachsen“, resümiert Winterling. Nach dem Abitur hegt sie zunächst den Wunsch, Kindergärtnerin zu werden, beginnt daher vor der Ausbildung ein Praktikum, zunächst in Marburg, dann in Kronberg. Parallel dazu bewirbt sie sich auf einen Studienplatz für Sozialpädagogik an der FH in Frankfurt. Als sie diesen erhält, bricht sie das Praktikum ab und verlagert damit auch ihren Schwerpunkt: die Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund. Nach dem Studium sowie dem Anerkennungsjahr, das sie in der Hessischen Erwachsenenbildungsstätte in Kö.-Falkenstein absolviert, betätigt Winterling sich als Fortbildnerin: Sie partizipiert an vielen Lehrerfortbildungen, gibt im Teamteaching Jugendlichen, die frisch aus dem Ausland gekommen sind, Kurse in DaF (Deutsch als Fremdsprache) an der VHS und unterrichtet in einer Firma in Kronberg Mitarbeiter in Englisch.

Die Zeiten Mitte der 1980er und Anfang der 1990er sind für sie besonders herausfordernd, nicht zuletzt, da sie als Selbstständige Mutter zweier Töchter wird. Als die jüngere Tochter in die 5. Klasse kommt, entschließt sich Winterling zu einer Zäsur in ihrem Leben – einer Ziel-Neuausrichtung. 2001 immatrikuliert sie sich als L2-Lehramtsstudentin mit den Fächern Englisch und Französisch an der Goethe-Universität in Frankfurt, bekommt einiges dank ihres ersten Studiums anerkannt und zieht als zweifache Mama das dreijährige Studium durch. Für mich war das Studium ein Geschenk!“, erzählt sie. „Neben meinem Interesse an den Fachwissenschaften entschied ich mich ganz gezielt gegen ein L3-Studium (Gymnasiallehramt), weil ich der Überzeugung war, dass auch weniger privilegierte Kinder das Recht darauf haben, von qualifizierten Lehrpersonen gefördert zu werden. Viele Haupt- und Realschüler haben’s nicht einfach, ich hatte Glück – davon wollte ich ein wenig zurückgeben.“

An ihrem Studium schätzte Winterling zudem den höheren Praxisanteil und das Mehr an Didaktik. An der Wahl der Fächer – „na ja, daran waren auch zwei meiner Lehrerinnen in der Oberstufe schuld“, scherzt sie. Ihre Englischlehrerin sei Irin gewesen und habe mit ihren Pennälern Beatles-Lyrics interpretiert, ihre Französisch-Lehrerin eine Muttersprachlerin ‚der alten Schule’, auch das habe ihr imponiert. „Ein Auslandsjahr habe ich während des Studiums nicht machen können, dafür aber viele private Auslandsaufenthalte; London habe ich mir übrigens als Jugendliche ganz alleine erschlossen“, fügt sie hinzu und vermittelt damit, wie früh sie sich emanzipiert hat.

Die Altkönigschule wird Bettina Winterling vermissen, denn neben ihrer unermüdlichen pädagogischen Tätigkeit hat sie über 15 Jahre lang gewissenhaft und empathisch die Lehramtsstudenten, die ihre studienbegleitenden Praktika machen, betreut. So ist es ihr bis zum Schluss gelungen, Jugend- und Erwachsenenarbeit miteinander zu verknüpfen. Das Wichtigste sei ihr aber gewesen, für Probleme, die im Unterricht auftraten, alleine mit den Kindern pädagogische Lösungen zu finden, ohne sie dafür in das RatHaus der AKS (früher Trainingsraum) schicken zu müssen. Das positive Schüler- und Eltern-Feedback, das sie in den 20 Jahren erhalten hat, bestätigt dies.

Ihre Schule verlässt sie mit einem weinenden, doch auch einem lachenden Auge: Die erfrischenden Kinder werden ihr fehlen, viele zugewandte Kolleginnen und Kollegen, auch die Großzügigkeit der Räumlichkeiten und der Bauwerke der Altkönigschule. In den letzten beiden Dekaden habe sich dennoch viel verändert: Das Kollegium habe sich ziemlich zerstreut, die Kommunikation, der Austausch untereinander sei schwieriger geworden. Eine zunehmende Schnelligkeit habe sie empfunden ohne zwangsläufig ein Mehr an Effektivität, einen höheren Zeitaufwand für sich verändernde Strukturen, zu denen auch Teilbereiche der Digitalisierung zählen. „Never change a running system!“, kommentiert Winterling dies.

Besonders freut sie sich darauf, mehr Zeit mit ihren drei Enkelkindern verbringen zu können und auf die neue Dynamik, die ihr selbstbestimmter Tagesablauf erhalten wird, was ihr auch sehr zu gönnen sei. Ach ja – und darauf, wieder Kinder- und Erwachsenenarbeit im Ehrenamt zu leisten, bei den Tafeln oder als „Vorlese-Oma“. Sie kann’s einfach nicht lassen.

Dafür danken wir Dir, Bettina!

 

Hat nun mehr Zeit für Enkel und Ehrenamt – Lehrerin Bettina Winterling